Zum Inhalt fortfahren


Monatsspruch Dezember 2010 – Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. (Matthäus 3,2)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 28 November, 2010

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich möchte am liebsten gar nicht mehr Nachrichten gucken. Zu schlimm ist das, was wir da täglich erfahren: Vulkanausbrüche und Überschwemmungen, Erdrutsche und Feuersbrünste. Die Natur spielt verrückt. Und die Menschen sind noch viel schlimmer. Wozu muss ich mir das alles anhören? Ich kann's ja doch nicht ändern.

Bilder aus der Offenbarung fallen mir ein von noch weit schrecklicheren Katastrophen: von Sternen, die vom Himmel fallen, verpestetem Wasser, Epidemien, Kriegen… Und wir können nichts dagegen tun. Die Welt ist unrettbar verloren. Weltuntergangsstimmung.

Sind wir Menschen nicht selbst schuld an den heutigen Nöten? Es ist nicht nur sie Klimaveränderung und sie wird nicht nur durch Treibhausgase verursacht. Riesige Waldgebiete wurden und werden immer noch abgeholzt. Wir fangen mehr Fische als nachwachsen können. Die Meere sind durch Abwässer und Müll verseucht. Wichtige Rohstoffvorräte gehen zur Neige. Auch Atomkraftwerke können langfristig unsern Energiehunger nicht sättigen, weil auch die Uranvorräte in einigen Jahrzehnten erschöpft sein werden. Ganz abgesehen davon, dass wir seit Jahrzehnten Atommüll produzieren ohne zu wissen wohin damit. Es ist nicht nur die Gier einiger weniger. Wir selbst werden immer anspruchsvoller. Wer hat denn vor 60 Jahren ein Auto gebraucht? Man lief, fuhr Rad oder benutzte die öffentlichen Verkehrsmittel. Kühlschrank, Waschmaschine, Spülmaschine, Staubsauger, Fernseher, Computer, Internet und die ganzen segensreichen Erfindungen sind ja für alle da. Aber dafür braucht man Rohstoffe und verbraucht Energie. Wir leben immer aufwändiger und gefährden dadurch unsre Zukunft.

Vor dem Hintergrund dieser düsteren Aussichten möchte ich Jesu Botschaft auslegen, die im Monatsspruch steckt: "Kehrt um", denn so kann es nicht weitergehen. Wir schaufeln uns unser eigenes Grab, wenn wir so weitermachen. Jesus führt damit die Bußpredigt seines Lehrmeisters Johannes fort. Der hatte schonungslos die Sünden seiner Zeit angeprangert, nicht nur soziale Missstände, sondern auch das Liebesleben des Viertelfürsten Herodes II. Das hat ihm schließlich den Kopf gekostet. Was hatte Johannes umgetrieben? Die Überzeugung, dass ein Strafgericht Gottes unmittelbar bevorstand. "Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Die Axt liegt schon bereit."

Jesus führt also die Predigt des Johannes fort. Aber er setzt andere Akzente: Nicht das Gericht steht unmittelbar bevor, sondern "das Himmelreich ist nahe", das heißt die Gottesherrschaft. Dafür kämpften damals viele fromme Juden: Seit Judäa römische Provinz geworden war, unterstanden sie der Gesetzgebung und Willkür der heidnischen Römer. Die Thora hatte ausgedient. Viele kämpften daher für ein unabhängiges Judäa und wollten einen Gottesstaat errichten, in dem die Thora als Staatsgesetz galt, mit so altmodischen Bestimmungen wie die genaue Vergeltung ("Auge um Auge, Zahn um Zahn") und die Steinigung von Ehebrecherinnen und Religionsfrevlern. Dagegen Jesus: Wir brauchen keinen unabhängigen Gottesstaat. Sondern Gottes Herrschaft beginn da, wo Menschen seinen Willen tun. Das ist unter fremder Herrschaft genauso leicht und schwer wie in einem eigenen Staat. Denn der Wille Gottes ist nicht Vergeltung und Steinigung, sondern die Liebe.

Das Reich Gottes ist also kein Staat (Johannes 19,36) oder eine andere Organisation, sondern die weltumspannende Liebe. Wir können sofort damit anfangen und brauchen nicht auf nationale Befreiung, Revolution, Wahlsieg oder den Jüngsten Tag zu warten. So hat sich Jesus selbst verstanden, er hat einfach damit angefangen Liebe zu praktizieren – mit erstaunlichen Ergebnissen, wie die Bibel berichtet: Da wurden nicht nur Kranke gesund und Tote standen auf, sondern da stieg ein Ausbeuter zurück auf den Boden und versuchte sein Unrecht wieder gut zu machen, da erfuhr ein "gefallenes Mädchen" Vergebung und wurde eine mehrfach geschiedene Frau zur Missionarin (Lukas 19,1-10; 7,36-50; Johannes 4,1-42).

Jesus macht also nicht Angst, sondern Hoffnung. Sein Rezept ist so einfach, dass auch wir es in unserm Leben umsetzen können: Wo die Liebe ist, da ist Gott.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner