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Jahreslosung 2013 – Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebräer 13,14)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 1 Januar, 2013

Liebe Leserin, lieber Leser,

zum neuen Jahr grüße ich euch mit der Jahreslosung. Gottes Segen für die nächsten zwölf Monate möge euch begleiten. Er gebe euch Kraft, den Weg zu gehen den er euch führt, über Hindernisse hinwegzukommen, aufzustehen, wenn ihr gefallen seid, und ans Ziel zu kommen.

Eigentlich sind wir ja gar nicht unterwegs, sondern sesshafte Menschen. Wir haben eine Wohnung oder ein Haus, und wenn wir verreisen, wissen wir, wo wir zu Hause sind und wohin wir zurückkehren. Und trotzdem gibt es so viele heimatlose Menschen. Ich habe als Kind das Flüchtlingselend nach dem Krieg erlebt. Ein Schulkamerad hauste mit Geschwistern, Eltern und Großeltern in einem einzigen Zimmer. Ich habe dasselbe vor fünfundzwanzig Jahren gesehen in einer Notunterkunft für Asylbewerber: vier Doppelstockbetten in einem Zimmer. Ich kannte einen Obdachlosen, der schlief unterm Vordach der Friedhofshalle. Viele Menschen sind beruflich dauernd unterwegs und nur am Wochenende zuhause.

Ich fragte einmal eine Heimatvertriebene, ob sie Lust hätte, in ihre alter Heimat zu reisen um zu sehen, wie es heute dort aussieht. "Nein. Die Heimat sind doch nicht die Häuser, sondern die Menschen. Und die sind alle tot." Selbst der Obdachlose hatte mehr als einen Schlafplatz. Er hatte einen Kameraden, mit dem er sich zwar oft stritt, dem er aber nach seinem Tod sein Fahrrad vererbte. Und eine Mutter, bei der er im Winter unterkam und die ihn aufnahm, als er schwer krank wurde.

Aber ist es mit den Menschen nicht genauso wie mit unsern Schlafplätzen? Wichtige Bezugspersonen sind schon lange tot. Von Freunden werden wir durch Umzug getrennt und verlieren den Kontakt. Die Arbeitskollegen wechseln mit dem Arbeitsplatz. Wohl dem, der noch eine Familie hat! Aber leider sind auch Familien zerbrechlich. Auch Menschen geben uns keine dauerhafte Heimat.

Da ist es gut, wenn man wenigstens eine geistliche Heimat hat, oder? Ich selbst musste leider mehrmals erfahren, dass ich meine geistliche Heimat verlor, einfach durch den wechselvollen Gang meines Lebens. Aus der Landeskirchlichen Gemeinschaft und ihrem Jugendbund in meinem Heimatort bin ich durch meine Ausbildung herausgewachsen. Die Ortsgruppe wurde vor einigen Jahren aufgelöst, nach über 200 Jahren. Nichts ist beständig und alles ist wandelbar.

Ich wünsche mir als Beerdigungsspruch diese Jahreslosung. Nicht, weil ich mich heimatlos fühle, sondern weil ich schon längst "die bleibende Stadt" gefunden habe: bei dem, "den keine Zeit vertreibet" (Evangelisches Gesangbuch 527,9, ein Lied, das ich sehr liebe).

Ich bin, wir sind, ihr seid auf diesem Weg zu eurer ewigen Heimat. Vergesst das nie, liebe Leserin, lieber Leser! Egal, wer unsre Weggefährten waren, das letzte Stück müssen wir alleine gehen. Und doch sind wir nicht allein. Jesus, der die ganze Zeit unsichtbar bei uns war, begleitet uns auch die letzte Strecke. Er kennt den Weg, denn er ist ihn selber gegangen. Ihm dürfen wir uns dankbar anvertrauen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner