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Einführung in das Neue Testament – Teil 6

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Edwin Suckut 30 August, 2010

Paulus in seiner Auseinandersetzung

Paulus ist ein in Tarsus geborener Jude gewesen. Von Jesus können wir nur vermuten, dass er in pharisäischen Kreisen groß geworden ist. Bei Paulus wissen wir es durch sein Selbstzeugnis genau.

"Denkt ein andrer, er könne auf äußere Vorzüge bauen, dann ich erst recht! Ich bin am achten Tage beschnitten worden, ich gehöre zu dem Volk Israel, zu dem Stamm Benjamin, ich bin ein Hebräer von rein hebräischer Herkunft. Dazu war ich ein gesetzesstrenger Pharisäer." (Philipper-Brief, Kapitel 3, die Verse 4b-5, alle Zitate nach der Übersetzung von Ludwig Albrecht.)

Wie streng Paulus als Pharisäer war, ist nachzulesen in der Apostelgeschichte: "Saulus (so hieß Paulus vor seiner Bekehrung) aber wütete gegen die Gemeinde: er drang in die Häuser ein, schleppte Männer und Weiber weg und ließ sie ins Gefängnis werfen." (Kapitel 8,1-2)

"Inzwischen schnaubte Saulus noch immer mit Drohungen und Mord gegen die Juden des Herrn. Er ging zum Hohenpriester und bat ihn um Vollmacht an die jüdische Gemeinden in Damaskus, damit er die Anhänger Jesu, die er dort fände, Männer und Weiber, in Ketten nach Jerusalem führen könne." (Kapitel 9,1-2)

Jesus von Nazareth stieß mit seinen Zeitgenossen immer wieder zusammen, wenn es um die Auffassung bestimmter Vorschriften der jüdischen Gesetzgebung ging, wie zum Beispiel bei der Sabbat-Heiligung oder beim Fasten. Er lebte jedoch ganz bewusst als Jude unter den Juden und vertrat dabei den Grundsatz: "Du sollt Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen deinen Kräften und von ganzem Gemüte lieben, deinen Nächsten wie dich selbst." (Lukas-Evangelium, Kapitel 10, Vers 27)

Paulus gab seinem Herrn Jesus darin vollkommen Recht. Er war jedoch der Mission unter den sogenannten Heiden verschrieben und kam zu der Überzeugung, dass man von einem Nichtjuden nicht verlangen kann und darf, dass er jede Vorschrift des jüdischen Gesetzes halten müsse. Für ihn galt: "Christus ist das Ende des Gesetzes." (Römerbrief, Kapitel 10, Vers 4)

Er hielt den "jungen" Heidenchristen erst einmal auch nur das Liebesgebot Christi vor die Augen: "Seid niemand etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebet, denn wer den anderen liebt, der hat das Gebot Christi erfüllt." (Römerbrief, Kapitel 13, Vers 8)

Paulus hatte sich vor allem auseinanderzusetzen mit gnostischen Strömungen. Dabei war es vor allem die judaisierende Gnosis, die Paulus bekämpfen musste.

In den Korinther-Briefen können wir etwas davon lesen. Allem Kampf gegen Irrlehren und sonstigen Streitpunkten stellt Paulus das "Wort vom Kreuz" entgegen: "Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft. (1. Korinther-Brief, Kapitel 1, Vers 18)

Und er preist im Kapitel 13 desselben Korinther-Briefes wieder einmal die Liebe: "Könnte ich in Sprachen der Menschen und Engel reden, aber mir fehlte die Liebe, so wäre ich ein tönend Erz und eine klingende Schelle. Hätte ich Weissagung und wüsste alle Geheimnisse und besäße alle Erkenntnis, ja wäre mein Glaube so stark, dass ich Berge versetzen könnte, aber mir fehlte die Liebe, so wäre ich nichts. Wenn ich alle meine Habe den Armen schenkte und gäbe meinen Leib dem Feuertode preis, aber mir fehlte die Liebe: es nützte mir nichts. Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist freundlich. Sie ist nicht neidisch, prahlt nicht, ist nicht aufgeblasen. Sie gibt nicht Anstoß, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt nichts Böses nach. Sie freut sich nicht über Unrecht, sie wünscht vielmehr der Wahrheit Glück. Alles deckt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, alles trägt sie. Die Liebe hört niemals auf. Die Weissagungen werden schwinden, die Zungenreden werden schweigen, die Erkenntnis wird ein Ende nehmen. […] So bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Am größten aber unter ihnen ist die Liebe."

Das große Anliegen des Apostel Paulus ist also, in die christlichen Gemeinden die Liebe Christi zu bringen; die Liebe Christi, die sich nicht nur selbst im Mittelpunkt sieht, sondern Gott und den Mitmenschen. Hier ist vor allem die Front der Auseinandersetzungen des Apostels Paulus mit den Schwärmern, Irrlehrern und anderen geistigen und geistlichen Strömungen seiner Zeit.

Karl Hartmann schreibt ein seinem "Atlas-Tafel-Werk zu Bibel und Kirchengeschichte" (Band II) über die "Abwehr der Frühgnosis im Neuen Testament":

  • Paulus wehrt sich gegen die Entwertung des Glaubens zugunsten des "Wissens", der Erkenntnis und der Geheimlehre. (Vor allem im 1. Korintherbrief 1,17-31; 2,1-8 und 1. Timotheusbrief 6,20-21)
  • Paulus wehrt sich gegen die Abwertung des Leidens Jesu zugunsten seiner Auferstehung und stellt beide gleichwertig nebeneinander. (Philipperbrief 2,5-11; Galaterbrief 5,11 und 6,14)
  • Paulus weist Spekulationen über eine pneumatische Wiedervereinigung der Seele des Erweckten mit dem Göttlichen zurück mit dem Zeugnis von der leiblichen Auferstehung des Gläubigen. (1. Korintherbrief 15,12-56; Römerbrief 14,7-9; Philipperbrief 1,23-24 und 1. Thessalonicherbrief 4,14-17)
  • Paulus und Johannes halten fest an der Entscheidungsfreiheit des Menschen gegenüber dem Willen Gottes und an der Notwendigkeit eines juristisch verstandenen Vergebungshandelns Gottes. (1. Johannesbrief 2,1-2 und 3,4-6; Römerbrief 1,18-19 und 5,12-19; 2. Korintherbrief 5,19-21)
  • Paulus entlarvt die Gesetzlichkeit und Johannes die Unbrüderlichkeit des gnostischen Hochmuts als Sünde gegen die Liebe Jesu. (Kolosserbrief 2,18-23; 1. Johannesbrief 2,7-11, 3,10-18 und 4,7-21)

Edwin Suckut

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