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Weltdienstabend mit Eckard Geißler in Reinheim

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Gustav Langenbruch 31 Oktober, 2011

Schuld waren Michelle und Niklas. Sie waren mit ihren Eltern beim Treffen der Freunde des Westbundes in Wuppertal und lernten dort Eckard Geisler, unseren Bundessekretär für Weltdienst, kennen und fragten auf der Heimfahrt: "Wann kommt der denn einmal nach Reinheim?" Das war für Jörg der Anstoß, Eckard einen Terminplan zu schicken und zu fragen, wann er den CVJM Reinheim besuchen könnte. Nun Eckard ist oft unterwegs, meist wohl in Westafrika, sein Terminplan ist immer sehr voll, aber er sah eine Möglichkeit: Am Samstag, den 27.08.11, wollte er unseren Mitarbeiterkreis besuchen. Obwohl der Termin für uns ungünstig lag, griffen wir zu und luden auch breiter zu diesem Treffen ein.

Eckhard GeislerDa das Ueberauer Gemeindehaus durch die Vorbereitung des Gemeindefestes belegt war, waren wir froh, ins Martin-Luther-Haus ausweichen zu dürfen. Es kamen vor allem Mitarbeiter und "Teenkreisler". Aus Pfungstadt hatten wir Karl-Heinz Jauch eingeladen, der mit der Weltdienstarbeit und Sierra Leone eng verbunden ist.

Eckard begann damit, dass er sich ein Ghana-Hemd überstreifte, das aus einzelnen Bandstreifen zusammengenäht ist, da man dort keine breiteren Webstühle hat. Dann folgte ein Überblick über die

Geschichte des YMCA

Am Anfang stand George Williams, der im Kaufhaus Hitchcock & Rodgers in London Tuchhandelsgehilfe wurde. Die Firma - nahe der St. Paul’s Cathedral - beschäftigte 140 Gehilfen (nur Männer), die wohl überwiegend gemeinsam unter dem Dach des Hauses wohnten. George betete abends ungeniert im Schlafsaal und fiel dadurch als Christ auf. Das provozierte Sticheleien, aber auch Zustimmung. So gründete er mit 11 weiteren jungen Männern am 06.06.1844 einen christlichen Verein für diese Firma, der von ihnen Young Men’s Christian Association (YMCA) genannt wurde.

Bereits 11 Jahre später (1855) wurde am Rande der Weltausstellung in Paris in einem ev. Gemeindehaus der Weltbund der YMCA gegründet. Mit dabei war u.a. Henry Dunant, der später auch das Rote Kreuz gründete. In 11 Jahren wurde also der YMCA aus einem lokalen Verein zu einem internationalen Verband, Grundlage wurde die "Pariser Basis".

Erst viele Jahre später (1882) schlossen sich die deutschen Bünde zum CVJM-Reichsverband (heute: Gesamtverband) zusammen. Der organisatorische Aufbau besteht für deutsche CVJM aus Ortsverein > Kreisverband > Regionalverband > Gesamtverband > Europäischer Verband > Weltbund.

Heute umfasst der YMCA (CVJM)-Weltbund 130 Nationalverbände.

Dieser kurze Überblick wurde von Eckard mit vielen Details so farbig gestaltet, dass er wohl bei vielen jungen Zuhörern im Gedächtnis bleibt und auch für "alte Hasen" interessant war.

Partnerschaften

Unser CVJM-Westbund unterhält Partnerschaften mit den YMCANationalverbänden in Ghana (seit 1959), Sierra Leone (seit 30 Jahren) und Ungarn (seit 10 Jahren) sowie mit dem CVJM in Graz (Steiermark/Österreich).

Ghana

Auf der Landkarte fällt der Volta-Stausee auf, der zweitgrößte Stausee der Welt. Die Nord-Süd-Ausdehnung von Ghana entspricht etwa der von Deutschland. In Ghana gibt es etwa 30-40 CVJM-Vereine. Beim "Hauptquartier" in der Hauptstadt Accra ist auch ein einfaches Hostel für junge Männer und ein besseres Gästehaus angeschlossen.

Generell sind die Menschen in Westafrika fromm: Es gibt Muslime, Christen und Animisten, die sich alle tolerieren. Afrika braucht Ausbildung (abgesehen von Katastrophen gilt: "Gib dem, der Hunger hat keinen Fisch, sondern eine Angel"). In Ghana werden vom YMCA Ausbildungen für Maurer, Elektriker, Schreiner und Bauzeichner angeboten. Viele Vereine haben einen Kindergarten, eine Kinderkrippe ist im Bau, ein Verein hat einen Kindergarten und - auf Drängen der Eltern - nun eine Grundschule. So werden in Westafrika junge Leute geprägt, die die Zukunft dieser Länder sind. Wichtig sind engagierte Christen als Vorbilder.

Logo YMCA GhanaAlle Nationalverbände in Afrika haben sich zur Afrikanischen Allianz der YMCA mit einem gemeinsamen Logo (her am Beispiel von Ghana) zusammengeschlossen.

Sierra Leone

Das Land ist etwa so groß wie Bayern. Seit dem Rebellenkrieg (bis 1999) ist die Hauptstadt Freetown übervölkert. Freetown ist nicht mit Accra zu vergleichen: Das YMCA-Haus ist nicht weit entfernt vom Präsidentenpalast, denn unweit dieses Palastes beginnen einfache Stadtteile und Häuser.

Im YMCA-Haus gibt es u.a. im Keller einen Fernseher, der vor allem bei Fußballfans beliebt ist. (Fußball hat eine sehr hohe gesellschaftliche Bedeutung in Westafrika: Es schweißt z.B. in Ghana die verschiedenen Stämme zu einer Nation zusammen.) Außerdem gibt es ein Internet-Cafe, Sport, einen Erwachsenenkreis und Berufsausbildung. Auch hier hat einer der Vereine einen Kindergarten, bei dem sich eine Grundschule anschließt und eine Weiterführung bis zum Abitur angedacht ist. Die Lehrer solcher Schulen sind sehr motiviert.

Mit dem YMCA in Waterloo hat der CVJM Eberstadt seit Jahrzehnten eine Partnerschaft. Waterloo ist heute der letzte große Vorort vor Freetown mit einem großen Straßenmarkt. Der YMCA baute (mit deutscher Unterstützung) eine Lagerhalle für Marktbeschicker, um dadurch den Bau eines Vereinsheims finanzieren zu können.

Im Inland liegt das Regionalzentrum Bo. Hier bietet der YMCA Schule und Ausbildung u.a. am PC an. PCs sind sehr gefragt, sie müssen mit Mauer und Drahtrollen gesichert werden.

Chili con CarneUngarn

Es gibt etwa vier CVJM. Der Staat schenkte ihnen ein großes Freizeitgelände am Plattensee. Wäre auch für deutsche CVJM nutzbar.

Österreich

In Graz gibt es einen kleinen CVJM, der seit Jahrzehnten vom Westbund unterstützt wird.

Die Weltdienstarbeit steht unter dem Motto: "Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat."

Gespräche

AbendessenNach dem Abendessen, das der Teenkreis zubereitet hatte, gab es noch frittierte Chips der Kochbanane und eine besondere Süßigkeit aus Sierra Leone aus Erdnusscreme, Cassava-Flocken und Zucker. Sehr gut! Dann folgte ein langes Gespräch über Menschen, Situation und Probleme in Westafrika:

Die Menschen in Westafrika haben einen persönlichen Glauben, Glaubensrichtungen spielen dort eine sehr untergeordnete Rolle: Kirchen und andere religiöse Gruppen können zusammenarbeiten. Die Menschen haben (und brauchen) mehr Gottvertrauen als wir, da ihr Leben viel weniger abgesichert ist. In Deutschland können wir uns manche Bitten selbst erfüllen ("Unser tägliches Brot gib uns heute"). Die Menschen sind dankbarer, aber auch genügsamer. Sozialhilfe-Empfänger in Deutschland leben ungleich sicherer als Arme in Sierra Leone. Wer Einkommen hat, unterstützt seine Familie und seinen Clan. Korruption gehört dazu (Man empfängt Geschenke von oben und gibt Geschenke nach unten weiter). Ohne Korruption ist man isoliert. Geld von außen muss so eingesetzt werden, dass keine Almosenempfänger erzogen werden. Wenn sich für Kinder das Anbetteln von Touristen lohnt, schwänzen sie die Schule, denn Schule ist Arbeit.

GesprächeAuf die Frage nach einjährigen Praktika im YMCA in Westafrika machte Eckard schnell deutlich, dass sie unter den jetzigen Umständen nicht sinnvoll sind: Es ist kein deutscher Ansprechpartner vor Ort. Die Einarbeitungszeit für Praktikanten wäre zu lang. (Es gibt allerdings solche Praktika bei Missionswerken, die vollzeitliche Mitarbeiter vor Ort haben.)

Besuchsreisen im Rahmen der CVJM-Partnerschaften sind möglich. Allerdings sind sie nicht billig und es besteht eine lange Wartezeit.

Diese kurz skizzierten Überlegungen hatten Tiefgang. Wir können von Westafrikanern lernen. Das wurde auch deutlich, als vor Jahren Sierra Leonis nach Eberstadt und von dort auch nach Ueberau kamen und in Gottesdienst und Kindergottesdienst mitwirkten. Sie haben eine unbekümmerte und ansteckende Fröhlichkeit.

Es war schon sehr spät, als die Letzten aus dem Martin-Luther-Haus heimwärts gingen.

Gustav Langenbruch