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Monatsspruch Juli 2012 – Mit welchem Maß ihr messt, wird man euch wieder messen. (Markus 4,24)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 30 Juni, 2012

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute ist es selbstverständlich: Wenn ich einen Liter Milch und ein Kilo Mehl kaufe, kann ich sicher sein, dass ich überall dieselbe Menge bekomme. Auch im Ausland gelten dieselben Maße und Gewichte. Das war nicht immer so. Vor 250 Jahren hatte jede Region ihre eigenen Einheiten, die sich von denen anderer Gegenden unterschieden. Der Schoppen (1/2 Liter) von Darmstadt war geringfügig kleiner oder größer als der von Groß Umstadt oder Dieburg. Das war nicht ungerecht, aber umständlich, weil man dauernd umrechnen musste. Erst vor 200 Jahren wurden einheitliche Maße eingeführt.

Jesus denkt wohl an ein Getreidemaß: Wenn man Getreide kaufte oder verkaufte, maß man es mit einem Gefäß ab. Es musste bis zum Rand gestrichen voll sein. Der Kunde hätte gemerkt, wenn der Händler gemogelt hätte. Aber er hätte ja auch mehrere Eimer benutzen können, einen normalen, falls kontrolliert wurde, einen größeren für seine Freunde und einen kleineren für die anderen Kunden. Das war zwar verboten, auch in der Thora (Deuteronomium 25,13-16). Es kam aber anscheinend vor.

Darauf spielt Jesus an. Er wendet sich aber nicht an betrügerische Händler, sondern bezieht das auf unser tägliches Leben. Beispiel: Einer meiner Mitschüler bekam in Kunst immer schlechte Noten. Er konnte machen, was er wollte, das war alles nichts. Da nahm ein anderer Junge so ein schlecht bewertetes Bild, verdeckte den Namen und fragte den Lehrer, was dafür geben würde: "Drei". Er zog die Hand weg, das stand der Name des missliebigen Schülers und "Sechs". Da war der Lehrer nicht gerecht und hat zweierlei Maß angewendet. Genauso legen wir unterschiedliche Maßstäbe an, wenn es um die Fehler andrer Leute geht und unsre eigenen. Die der anderen verurteilen wir, über unsre eigenen sehen wir großzügig hinweg. Oder merken sie gar nicht.

Davon redet Jesus in der Bergpredigt und bezieht sich dabei auf den Grundsatz vom gerechten Messen: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. " Es folgt das Gleichnis vom Splitter und Balken im Auge (Matthäus 7,1-5).

Im oberflächlichen Sinn ist der Monatsspruch eine Anwendung der Goldenen Regel: "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu" (ähnlich Matthäus 7,12): Wenn du gerecht beurteilt werden willst, darfst du nicht bei anderen mit zweierlei Maß messen.

Aber Jesus bleibt nicht dabei stehen, sondern denkt weiter: Es geht nicht darum, was andere von uns denken und wie sie uns beurteilen, sondern was Gott von uns hält und welches Urteil er über uns sprechen wird. "Man wird euch messen - ihr werdet gerichtet werden" ist eine Ausdrucksweise der damaligen Frommen, die den Namen Gottes nicht missbrauchen wollten. Sie nahmen daher sogar das Wort "Gott" nicht in den Mund, sondern umschrieben es. Moderne Menschen machen es genauso, aber die denken gar nicht mehr an Gott. Doch Jesus war kein moderner Mensch, er hatte sein ganzes Leben auf Gott ausgerichtet und dachte auch bei den banalsten Kleinigkeiten des Alltags an ihn. Deshalb fielen ihm auch immer wieder Bilder und Gleichnisse ein.

Aus diesem Grund begnügt sich Jesus auch nicht mit moralischen Grundsätzen, sondern er bezieht alles auf Gott. Seinen wichtigsten Grundsatz hat er in der Bergpredigt schon vorher ganz allgemein formuliert: "Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist " (Matthäus 5,48) oder noch schöner bei Lukas 6,36 im selben Zusammenhang: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist".

Jesus, du hast gut reden! Denn du hast Gott erkannt und verstanden. Ich möchte werden wie du. Hilf mir dabei.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner