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Einführung in das Neue Testament – Teil 10

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Edwin Suckut 31 Oktober, 2011

Die Gnosis

1. Einführung - Vorbemerkungen

Die Gnosis hat eine Vorstufe im Griechentum: der Orphik. Diese hat ihren Namen von der mythologischen Gestalt des Sängers Orpheus. Von Orpheus wird berichtet, dass er durch seinen Gesang und sein Leierspiel auch Macht und Gewalt über Felsen, Bäume und wilde Tiere hatte. Als seine junge Frau Eurydike ihm durch einen Schlangenbiss entrissen wurde, folgte er ihr in die Unterwelt und rührte Hades und Persephone durch sein Spiel und die Klagelieder. Sie erlaubten ihm, seine Frau aus dem Hades mitzunehmen. Er durfte sich auf dem Weg in die Oberwelt jedoch nicht zu seiner Frau umdrehen. Da er sich jedoch zu früh nach Eurydike umwandte, entschwand sie nach hinten in die Tiefe der Unterwelt.

Das Entscheidende an der Orphik ist, dass sie eine Weltentstehungslehre mit einer solchen von der Entstehung und dem Wesen des Menschen verbunden hat.

Ihre Gedanken kreisen um den Gott Dionysos, der in dreifacher Gestalt erscheint: er ist einmal von den Titanen zerrissen und verschlungen worden, aber des Zeus Blitz hat die Titanen getroffen und verbrannt. Aus ihrer Asche ist dann das menschliche Geschlecht entstanden. So hat es (das menschliche Geschlecht) etwas titanisches, das heißt Widergöttliches und etwas Dionysisches (Göttliches) in seinem Wesen. Zeus hat das Herz des Dionysos vor den TItanen gerettet und daraus entstand dann die letzte Gestalt des Gottes, die des "Lösers", der den Frommen im Jenseits reiche Freude bringt.

Der Mensch ist somit seinem Ursprung nach mit Widergöttlichem behaftet. Der Körper, der von den Titanen stammt, ist das "Grab seiner Seele", eine Art Gefängnis, in dem sie gefangen liegt, bis ihre Schuld getilgt ist. Wir haben es also mit einer Seelenwanderungslehre zu tun. Wenn die Erlösung der Seele des Menschen nicht im ersten Leben vollzogen werden kann, dann eben in einem neuen, solange, bis sie befreit ist. Zu seiner Erlösung, das heißt zu seinem seligen Leben in der Unterwelt, muss sich der Mensch streng asketischen Lebensregeln unterwerfen. Die so genannte Orphik erlebte um die Zeitenwende einen neuen Aufschwung, und es verbindet sie mit der Gnosis die Verbindung von Welt- und Menschenentstehung, dem Dualismus von Leib und Seele und dem Zusammenhang des Göttlichen im Menschen und dem des "Lösers". Die Gnosis ist eine vielschichtige und schwer zu erfassende Erscheinung zur Zeit des Entstehens der jungen Christenheit.

Auf einen knappen und kurzen gemeinsamen Nenner gebracht, könnte man sagen, dass die Anhänger der Gnosis behaupten: Christus gilt etwas im Leben des Menschen - aber…

Und dann werden weitere Bedingungen genannt, um ewiges Leben erhalten zu können.

Der Kirchenvater Irenäus sagt zur Gnosis: "Nicht zwei oder drei kannst du auftreiben, die über denselben Gegenstand dasselbe sagen; im Namen und Sachverhalt widersprechen sie sich völlig." Irenäus sieht etwa 20 Gnostikerschulen, die ein eigenes Profil herausgearbeitet haben.

Walter Schmithals kommt zu folgender Umschreibung: "Wir verstehen unter Gnosis jene religiöse Bewegung, die den Menschen lehrt, sich als ein Stück göttlicher Substanz zu verstehen, das zwar durch ein verhängnisvolles Schicksal in die Gefangenschaft der ihm wesensfremden Welt und ihrer dämonischen Beherrscher geriet, der Befreiung daraus aber gewiss sein darf, da es die Erkenntnis seines unverlierbaren göttlichen Seins besitzt." (Walter Schmithals in "Neues Testament und Gnosis")

  • Die Hauptmotive, in denen sich die Gnosis darstellt, sind:
  • ein kosmischer Dualismus, sei es uranfänglicher, sei es abgeleiteter Art;
  • der Darstellung vom Fall der Lichtsubstanz in die Gewalt böser Mächte;
  • die Erkenntnis dieses menschlichen Seins und Schicksals;
  • die Erlösung aus diesem Schicksal.

Den Gnostiker beschäftigt vor allem:

  • das Verhältnis von Gott und Welt,
  • das Verhältnis von Geist und Materie,
  • den Fall des Menschen und seine Erlösung,
  • der Weltanfang,
  • die Weltentwicklung und
  • das Weltende.

2. Begriffe "Gnosis" und "Dualismus"

2.1. Der Begriff "Gnosis"

Standortbestimmung

Die Gnosis ist wohl mit Recht eine "unpersönliche Massenbewegung" genannt worden. Sie hat sich etwa gleichzeitig mit dem Christentum entwickelt und erlebte ihre Blütezeit im 2. und 3. Jahrhundert.

Der Kirchenvater Epiphanius erfaßte in seinem Ketzerkatalog mehr als 60 gnostische Richtungen.

Erkenntnis bedeutet in der Gnosis das Wissen um Gottes Wesen und des Menschen Rettung - sprich: den (wieder) Aufstieg des Menschen zum Geist beziehungsweise seinen (wieder) Aufstieg aus der Finsternis zum Licht.

Erkenntnis in der Gnosis heißt also niemals verstandesmäßiges, historisches Wissen, das durch systematisches Erfassen einer Sache begreifbar gemacht wird. Damit hat die Gnosis nichts (oder nur sehr wenig) zu tun.

Das Wort Gnosis bedeutet "Erkenntnis".

Der zur Gnosis (zur Erkenntnis) gelangte Mensch gewinnt sein Wissen nicht durch Beobachtung, Erforschung (etwa der Naturgesetze) oder Selbstbesinnung, sondern durch Offenbarung. Auch dort, wo die Gnosis philosophiert, Denkgebäude aufstellt, wie etwa in der Emanationslehre Valentins, gibt sie nur Aufklärung, geoffenbarte Aufklärung, über das Wesen des Geistes und der Menschen. Das Wesen der Erkenntnis in der Gnosis ist religiöser, praktischer und soteriologischer Natur. Erkenntnis bedeutet das Wissen um Gottes Wesen und des Menschen Rettung, sprich: sein Aufstieg von der Materie zum Geist, von der Finsternis zum Licht.

Die Gnosis war/ist eine Erlösungslehre, die sich zusammen mit dem Christentum und in der Auseinandersetzung mit ihm entwickelte. Die Wurzeln der Gnosis liegen aber nicht nur im Alten Testament, wie es beim Christentum der Fall ist, sondern sie wurzelt auch im heidnischen Griechen- und Persertum.

Zur Zeit Jesu waren viele religiöse Vorstellungen der damals bekannten Welt zusammengeflossen, und auf dieser Religionsvermischung (dem Synkretismus) baut die Gnosis ihre Lehre auf.

Allerdings stellt die Gnosis keine einheitliche Bewegung dar. Sie ist wohl in drei Hautprichtungen gespalten, die sich so umschreiben lassen:

  • iudaisierende Gnosis:
    Hier herrscht das Judentum vor. Je nach Bedarf werden jedoch Elemente aus den anderen beiden Richtungen mit übernommen.
  • christianisierende Gnosis:
    Hier herrscht das christliche Gedankengut vor. Jesus von Nazareth wird vor allem als der Mensch gesehen, der den Gnostikern in der Erkenntnis vorangegangen ist.
  • paganisierende Gnosis:
    Hier herrschen vor allem magische Rituale vor. Durch Beschwörungen sollen die Geister den Menschen verfügbar gemacht werden (Paganismus). Jüdische und christliche Elemente sind auch hier vorhanden.

Eigentlich ist alle Gnosis nie etwas anderen als pagane Gnosis, auch wenn jüdische und christliche Elemente vorhanden sind.

Als einen allgemeinen Grundzug aller drei Hauptrichtungen kann man jedoch den Dualismus herausheben; auf der

  • einen Seite sehen die Gnostiker Gott und seine Welt, das Licht und was Lichtcharakter trägt und auf der
  • anderen Seite sehen sie alles das, was den Sinnen in irgendeiner Weise zugänglich ist, genannt die Welt der Finsternis und ihrer Mächte.

2.2 Der Begriff "Dualismus"

Der Gegensatz zum Dualismus ist der "Monos" = einzig, allein. Nur eine Substanz, nur ein Prinzip wird angenommen.

Der Dualismus ist das entscheidende Merkmal der Gnosis.

Im Dualismus (Denken in zwei Räumen) wird die Grundsätzlichkeit zweier Prinzipien vorausgesetzt. Es gibt nur zwei ursprüngliche Prinzipien im Weltgeschehen:
Gott - Welt / Leib - Seele / Geist - Stoff, um nur einige Beispiele zu nennen.

Edwin Suckut

Übersicht

  • Irenäus ist Schüler des heiligen Polykarp, und der ist ein Schüler des Apostels Johannes. Irenäus kämpft gegen die Ketzer (Gnostiker), besonders in seiner Schrift "Entlarvung und Widerlegung der falschen Gnosis".
  • Epiphanius lebte etwa um 375 nach Christus.

Fotoalbum – Mitarbeiterkreis 27.08.2011

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von CVJM Reinheim 31 Oktober, 2011

GesprächeNach dem Essen besteht die Möglichkeit zu Gesprächen im kleinen Kreis.

Hat nicht Gott erwählt die Armen der Welt, die im Glauben reich sind und Erben des Reichs, das er verheißen hat denen, die ihn lieb haben? – Jakobus 2,5

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Edwin Suckut 31 Oktober, 2011

Warum hat eigentlich das Evangelium, die Botschaft vom Beginn der Herrschaft Gottes, eine solche Nähe zu den Armen, Trauernden, Kranken und Sterbenden?

Weil dort, wo die äußeren Absicherungen wegfallen, der Mensch ganz bei sich selbst ist. Er ist nicht mehr Bürger, nicht mehr Verkehrsteilnehmer, Arbeitsloser oder Beschäftigter, nicht mehr Mutter oder Freund – er ist ganz allein Mensch. Und erst so, erst in dieser "Nacktheit", ist er bereit für Gott, ein Kind, das nach dem Vater weint und zugleich weiß, dass nur er zuverlässig ist.

Dieses "Kind" steckt eigentlich in jedem Menschen. Wir spüren es in den Augenblicken unerklärlicher Sehnsucht, die uns manchmal ohne äußeren Anlass überfällt und uns zeigt, dass wir auf Gott angewiesen sind.

Wir sind ohne Jesus, unseren Herrn und Heiland, nichts als ein Kind ohne Heimat. Für die Armen, Trauernden, Kranken und Sterbenden ist der Weg zwischen Gott und ihnen noch kürzer.

Wir anderen allerdings müssen das Kind erst in uns und in unserer Lebenssehnsucht entdecken, denn dieses Kind kann sich nämlich gut verstecken hinter Titeln und Ämtern, hinter Berufserfolgen und wichtigen Aufgaben. Es kann sich so gut verbergen, dass es manchmal nicht mehr weiß, dass es im Grund doch ein Kind ist.

Nur eines bleibt dabei gewiss: Der Vater wartet voller Geduld, ob das Kind sich an ihn erinnert. Jesus hat es in einem seiner Gleichnisse eindrucksvoll geschildert (Lukas 15,11-24). Deshalb gilt: Mögen wir uns noch so weit von ihm entfernen: Gott ist da!

Darum: Herr, unser Gott und Vater, halte unsere Sehnsucht nach dir in unserem Herzen offen!

Edwin Suckut


Fotoalbum – Mitarbeiterkreis 27.08.2011

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von CVJM Reinheim 31 Oktober, 2011

AbendessenIn großer Runde schmeckt das Abendessen gleich doppelt so gut.

Monatsspruch November 2011 – Gut ist der Herr, eine feste Burg am Tag der Not. Er kennt alle, die Schutz suchen bei ihm. (Nahum 1,7)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 31 Oktober, 2011

Liebe Leserin, lieber Leser,

"ein feste Burg ist unser Gott" (EG 362), das Schutz- und Trutzlied Martin Luthers, galt in meiner Jugend als d a s "Reformationslied". Da lief mir eine Gänsehaut über den Rücken, wenn wir es am Reformationsfest stehend sangen und uns an den Händen fassten. Wir standen Hand in Hand, wie eine Schutzmauer der "festen Burg" selbst und schmetterten die Strophen gegen unsre eigene Unsicherheit einem unsichtbaren Gegner ins Gesicht, dem "altbösen Feind" und der "Welt voll Teufel". "Das Wort (Gottes) sie sollen lassen stahn (stehen)", haben wir geschmettert, gegen alle Feinde des Evangeliums und die Welt überhaupt. Und vielleicht etwas leichtsinnig: "Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin, sie haben's (es = dessen, davon) kein Gewinn. Das Reich muss uns doch bleiben." Die Alten wussten vielleicht, was sie sangen, ich junger Bursche noch nicht. Sie haben's unter den Nazis im Kirchenkampf und im Krieg erlebt und erlitten.

Die Gänsehaut, glaubte ich damals, kommt vom Heiligen Geist. Bald aber merkte ich, dass man mit psychologischen Tricks Gefühle manipulieren und Begeisterung wecken kann. Manche Prediger verstanden sich auf "Seelenmassage", auf eindringliche Appelle , die Gänsehaut erzeugten: "Bekehre dich noch heute. Wer dazu bereit ist, komme nach vorn." Und sie kamen, erst Einzelne, zögerlich, dann immer mehr. Große Bekehrungserfolge! Was ist aus diesen Menschen geworden?

Später lernte ich: Gänsehaut entsteht, wenn sich die Haare auf den Schultern und dem Rücken sträuben, bei Katzen, Gorillas wie bei uns Menschen. Wir spüren eine Gefahr und plustern uns auf, um größer zu erscheinen. Wir spüren auch, wenn sich den Menschen neben uns aufplustern und machen es ihnen nach. Gänsehaut erzeugt Gemeinschaftsgefühl. Gemeinsam sind wir stark. Sollen sie doch kommen, wir halten zusammen und lassen uns nicht unterkriegen! Man muss das nicht so negativ sehen mit den Gefühlen und muss nicht jeden Hauch von "Gefühlsduselei" unterbinden.

Gibt es dieses Gemeinschaftsgefühl heute noch? Die moderne Lebensweise macht uns zu kritischen Individualisten, Einzelkämpfern. Mit zunehmender Intelligenz, Bildung und Verantwortung sind wir gezwungen, unsern eigenen Weg zu gehen und selbst dafür gerade zu stehen. Einmütigkeit ist kaum noch möglich, man sieht's in der Politik. Konkurrenz- und Leistungsdruck und der damit verbundene Ehrgeiz machen es uns nicht leichter. Es gibt immer weniger echte Gemeinschaft, nur "Seilschaften", Zusammenarbeit in Einzelfällen, die bei der nächsten Gelegenheit wieder aufgelöst werden. Ich will mich nicht über die allgemeinen Zustände beklagen. Mein Lebensweg war ja genauso. Zum Glück habe ich meine Familie.

Die "Feste Burg" Luthers ist nicht dieser Prophetenstelle nachempfunden, sondern dem 46. Psalm, welcher Hoffnung ausdrückt, dass Jerusalem, die "Stadt Gottes", samt seinen Bewohnern allen Bedrohungen durch fremde Eroberer standhalten wird. Denn "Gott (der Tempel) ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben" - eine Illusion, wie die Propheten erkannten und wie die Geschichte gezeigt hat.

"Gut ist der Herr, eine feste Burg am Tag der Not. Er kennt alle, die Schutz suchen bei ihm." Da ist nicht mehr von einem geographischen Ort wie Jerusalem die Rede, auch nicht von einer konkreten Personengruppe wie den Bürgern dieser Stadt, sondern von Einzelmenschen, "die bei ihm (Gott) Schutz suchen" bzw. nach Luther: "die auf ihn trauen". Im Bild ist eher an eine der Höhlen im Gebirge zu denken, in die sich David vor den Nachstellungen Sauls zurückgezogen hatte, schwer zu finden und leicht zu verteidigen, relative Sicherheit, aber ohne unrealistischen Garantien wie in Psalm 46. Diese "Festen" (Luther) waren Rückzugsgebiet von Menschen, denen man das Leben zur Hölle machte. So bietet Gott Schutz denen, die keinen Ausweg mehr sehen: In der Bibel finden sie Trost und Wegweisung. Wenn sie beten, können sie sich vor einer unparteiischen Instanz aussprechen. Sie finden vor Gott Gehör und Hilfe, aber nicht unbedingt das Recht, in dem sie sich glauben. Sie merken beim Beten schon selbst, was da schief gelaufen ist und was sie selbst falsch gemacht haben. Im Gebet können wir unsre Gedanken klären, Auswege finden - und nicht zuletzt auch wunderbare Hilfe erfahren.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner